"Ich möchte nicht Medaillen gewinnen, die dem Zufall entspringen"

Martin Veith ist seit Ende des vergangenen Jahres Sportdirektor der Deutschen Triathlon Union (DTU). Wir haben mit dem 41-Jährigen über Entwicklungspotentiale der Elite, die Olympia-Ziele der deutschen Aktiven und seine Leidenschaft für den Ausdauersport gesprochen.

Martin Veith

Martin, du bist nicht nur Sportdirektor des nationalen Triathlon-Verbandes, sondern warst auch selbst Jahre lang als Triathlet aktiv.

Ich bin als Jugendlicher über einen Freund der Familie zum Duathlon gekommen und habe dann vor allem in meiner Studienzeit recht ambitioniert Triathlon betrieben. Ich war sicherlich auf keinem ganz hohen Leistungsniveau – dafür fehlten mir die schwimmerischen Grundlagen -, aber für einen Start in der 2. Triathlon-Bundesliga hat es gerade so gereicht.

Wie viel Zeit bleibt dir derzeit noch für Sport?

Mein Herz hängt am Ausdauersport. Ich versuche regelmäßig Rad zu fahren, skilanglaufen oder schwimmen zu gehen. Ich finde es in meinen Job hilfreich, am eigenen Körper erlebt zu haben beziehungsweise auch noch zu erleben, was es heißt, an seine Leistungsgrenzen zu gehen.

Leistungsgrenzen auszutesten, das gilt natürlich auch für die Elite-Athletinnen und –Athleten. Die Kader-Sportlerinnen und –Sportler konntest du schon kennenlernen. Wie ist dein Eindruck?

Es sind tolle Typen. Ich habe sie als sympathische Truppe kennengelernt. Man merkt ihnen trotz der Fokussierung auf den Leistungssport an, dass sie mit Spaß dabei sind und die nötige Portion Lockerheit mitbringen. Mich hat es gefreut, dass sie mir gegenüber völlig unbefangen auftreten. Was ich erlebt habe, hat mich begeistert.

Du warst im vergangenen Dezember im Trainingslager auf Fuerteventura dabei. Was ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

Mir ist vor allem die tolle Stimmung im Trainerteam aufgefallen. Das und das gute Verhältnis zwischen Trainern und Athletinnen und Athleten fand ich super. Ein gutes Vertrauensverhältnis im gesamten Betreuerteam ist für die Entwicklung des Triathlonsports sehr wichtig. 

Für einige der besten deutschen Sportlerinnen und Sportler auf der Kurzdistanz steht im kommenden Sommer mit den Olympischen Spielen einer der Höhepunkte ihrer Karriere an, vielleicht sogar DER Höhepunkt. Welche Ziele gibt die DTU mit Blick auf Paris aus?

Wir haben in der Mixed Relay das Potenzial, um die Medaillen mitzukämpfen. Das haben die Top-Ergebnisse aus 2023 (Deutschland gewann die WM sowie das Testevent in Paris, Anm. d. Red.) gezeigt. Auch in den Einzelwettbewerben haben unsere Athletinnen und Athleten bei entsprechendem Rennverlauf und entsprechender Tagesform die Fähigkeiten für Top-Platzierungen.

Auf die Olympischen Spiele folgen wenige Wochen später die Paralympics. 

Im besten Fall gewinnen wir bei den Paralympischen Spielen mehr als eine Medaille. Martin Schulz (Sieger der vergangenen beiden Paralympics, Anm. d. Red.) weiß, wie man gewinnt und hat das Ziel Platz eins ganz klar ausgegeben. Aber wir haben darüber hinaus weitere Athletinnen und Athleten, die mit Medaillenambitionen in ihre Wettkämpfe gehen werden.

Lass uns über den kommenden Sommer hinausschauen. Was sind deine langfristigen Ziele mit Blick auf die Erfolge der Spitzenathletinnen und –athleten?

Mir liegt es am Herzen, das Spitzensportsystem so weiterzuentwickeln, dass wir nachhaltig erfolgreich sind. Natürlich unterliegen solche Systeme immer Schwankungen. Aber ich möchte nicht Medaillen gewinnen, die dem Zufall entspringen. Ich möchte Medaillen gewinnen, weil wir über Jahre aus einer breiten Basis im Nachwuchs immer wieder Spitzenathletinnen und –athleten formen, die zu den Besten der Welt zählen. So kann man nicht nur zuversichtlich auf die kommenden, sondern immer auch schon zuversichtlich auf die übernächsten Olympischen Spiele blicken.

Dafür spielt die Entwicklung des Nachwuchs‘ eine wichtige Rolle.

Darauf wird ein Fokus meiner Arbeit liegen. Ich möchte die Strukturen im Nachwuchsbereich optimieren, wo sie noch optimiert werden müssen. Das betrifft sowohl die Talentsichtung als auch die Talentförderung und Talententwicklung. Es ist ein sehr komplexes Konstrukt.

Hilfreich dafür ist eine breite Basis an Nachwuchsathletinnen und –athleten.

Genau. Eine breite Basis ist zum einen ein schönes Zeichen für unseren Sport. Zum anderen ist es natürlich auch eine mathematische Wahrscheinlichkeitsrechnung. Umso mehr Jugendliche Triathlon betreiben, desto mehr potenziell talentierte Sportlerinnen und Sportler sind dabei, die den Sprung in die Weltspitze schaffen können.

Die deutsche Elite hat in den vergangenen Jahren eine positive Entwicklung genommen. Ist Deutschland schon wieder eine Weltklasse-Nation im Kurzdistanz-Triathlon?

Ja, definitiv. Wir haben geschafft, was bislang ganz wenige Nationen geschafft haben: Wir haben für Olympia in Paris fünf qualifizierte Athletinnen beziehungsweise Athleten und einen weiteren Quotenplatz sicher, werden also in Paris mit sechs Aktiven am Start sein. Damit ist Deutschland wieder in der Weltspitze angekommen.

Für den Elite-Bereich gibt es neben dir als Sportdirektor zudem einen Chef-Bundestrainer. Wie grenzt sich deine Arbeit von der von Thomas Moeller ab?

Thomas kümmert sich um alles, was eine direkte Auswirkung auf die Entwicklung der Athletinnen und Athleten hat. Darunter fallen zum Beispiel die sportliche Ausrichtung der Nationalmannschaft oder die Erstellung von Nominierungs- oder Kaderkriterien.

Bei mir geht es um alles, was eher eine indirekte Auswirkung hat. Im Grunde bin ich dafür verantwortlich, dass der Stab der Trainerinnen und Trainer sowie der Betreuerinnen und Betreuer ihren Job gut machen kann. Da gehören natürlich gewisse Rahmenbedingungen dazu, die ich strukturieren muss.

In deinen Arbeitsbereich fällt auch die „konzeptionelle Weiterentwicklung des Ressorts Leistungssport“ der DTU. Das klingt ein bisschen klobig. Kannst du den Begriff mit Leben füllen?

Es geht um die Entwicklung von Strukturen und Prozessen, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass unser System Erfolg hat.

Es geht also zum Beispiel darum, Strukturen zu schaffen beziehungsweise zu verbessern, um den Übergang des Nachwuchses in die Elite zu verbessern beziehungsweise Unterstützungskonzepte für Athletinnen und Athleten sowie deren Trainerinnen und Trainer zu schaffen, um ihnen diesen Übergang zu erleichtern.

Wenn du irgendwann mal auf dein Wirken als DTU Sportdirektor zurückschaust, was willst du dann erreicht haben?

Grundsätzlich will ich am Erfolg gemessen werden, also an der Anzahl an Olympia-Medaillen, die Deutschland in dieser Zeit gewonnen hat.

Dabei darf es aus meiner Sicht aber nicht um Erfolg um jeden Preis gehen. Wir müssen schon darauf achten, verantwortungsvollen Leistungssport zu betreiben. Der Mensch steht dabei immer im Vordergrund und zwar auf allen Ebenen.

Ich will aber auch nachhaltige Strukturen geschaffen haben, die über meine Arbeit hinaus wirken, gerade im Bereich des Aktiven-Coaching-Gebildes.

Du hast auch eine tolle, spannende oder witzige Geschichte zu erzählen, wie du zum Triathlon gekommen bist? Oder Verletzungen/Krankheiten oder besondere Momente/Ereignisse haben dich erst recht angespornt, (weiter) aktiv zu sein? Dann schreibe uns eine E-Mail an medien@dtu-info.de. Und vielleicht erscheint hier bald deine Geschichte.